Das OLG Frankfurt hat mit Urteil vom 21.05.2015, Az. 6 U 64/14 entschieden, dass der Vertrieb von sicherheitsgefährdenden Garagentorantrieben einen abmahnfähigen Wettbewerbsverstoß darstellen kann. Konkret lag ein Verstoß gegen § 3 Absatz 1 ProdSG vor, wonach u.a. die Sicherheit und Gesundheit von Personen bei bestimmungsgemäßer oder vorhersehbarer Verwendung eines Produktes nicht gefährdet werden darf. In Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung ging das OLG Frankfurt davon aus, dass § 3 Absatz 1 ProdSG eine sog. Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG ist.
Das beklagte Unternehmen hatte einen Garagentorantrieb in den Verkehr gebracht, bei dem bei einer bestimmten Einstellung die in den einschlägigen technischen Normen (DIN EN 13241-1, DIN EN 12453 und DIN EN 12445) maximal zulässigen Betriebskräfte und/oder maximal zulässigen Einwirkzeiten bis zur Reversierung überschritten werden. Umgangssprachlich ausgedrückt: Trifft das Garagentor auf ein Hindernis, dauert es zu lange, bis es das Hindernis erkennt und seine Bewegungsrichtung umkehrt (reversiert). Das ist natürlich insbesondere äußerst gefährlich, wenn versehentlich ein Mensch in den Weg des sich schließenden Garangentors gerät. Aus den Urteilsgründen:
Bei § 3 I ProdSG handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG. Nach dieser Bestimmung darf ein Produkt nur dann „auf dem Markt“ bereitgestellt werden, wenn bei bestimmungsgemäßer oder vorhersehbarer Verwendung die Sicherheit und Gesundheit von Personen nicht gefährdet wird. Die Vorschrift dient dem Schutz der Verbraucher und sonstigen Abnehmer der Produkte im Hinblick auf die Einhaltung sicherheitstechnischer Anforderungen. Sie regelt damit das Marktverhalten ihrer Anbieter.
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Bei der Beurteilung, ob ein Produkt eine Gefahr für die Sicherheit und Gesundheit von Personen darstellt, können Normen und andere technische Spezifikationen zugrunde gelegt werden. Insbesondere können die in DIN-Normen enthaltenen anerkannten Regeln der Technik herangezogen werden (Schaffert in MüKo-UWG, 2. Aufl., § 4 Nr. 11 Rn. 223).
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Der Gefährdung könnte grundsätzlich auch durch einen geeigneten Warnhinweis in der Gebrauchsanleitung begegnet werden. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn bei jeder denkbaren Verwendung des Antriebs, also z.B. auch bei der Kombination mit Toren, deren Gewicht von dem der Begutachtung zugrundeliegenden Tor deutlich abweicht, die Einstellung nach Stufe 1 zu einer Nichteinhaltung der Grenzwerte führen würde. Dafür gibt es keine Anhaltspunkte. Deshalb kommt entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht der Grundsatz „Konstruktion vor Instruktion“ nach Ziff. 1.1.2 lit. b) des Anhangs 1 der Maschinenrichtlinie (2006/42/EG) zur Anwendung. Eine Änderung der Standardeistellung ist bei vorhersehbarem Gebrauch erst nach Lektüre der Gebrauchsanweisung zu erwarten. Das entsprechende Bedienfeld liegt nicht frei, sondern wird erst nach Abnahme der Gehäuseabdeckung sichtbar. In montiertem Zustand befindet sich der Antrieb an der Garagendecke. Von dieser Konstruktion konnte sich der Senat anhand der zur Akte gereichten Lichtbilder sowie anhand des in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Antriebs überzeugen. Nach menschlichem Ermessen kann ausgeschlossen werden, dass unkundige Verbraucher die Standardeinstellung verändern werden, ohne vorher die Gebrauchsanleitung zu Rate zu ziehen. Der vorhandene Hinweis, dass „unbedingt eine Belastungsmessung wie am Ende der Montage“ durchgeführt werden muss, wenn die Standardeinstellung geändert wird, ist jedoch nicht ausreichend. Denn der Verbraucher erfährt nicht, was damit konkret gemeint ist. Er erfährt insbesondere nicht, dass bei der Stufe „sehr wenig empfindlich“ die Sicherheit von Personen gefährdet ist, wenn sie von dem Tor eingeklemmt werden und dass die in den Euro-Normen EN 13241-1 und EN 12453 hierfür vorgesehenen Grenzwerte dann nicht eingehalten werden.
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Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus §§ 3, 4 Nr. 11, 5 II Nr. 1, 8 UWG Anspruch auf Unterlassung, auf ihrem Antrieb eine CE-Kennzeichnung anzubringen.
Der Hersteller einer Maschine muss vor dem Inverkehrbringen und/oder der Inbetriebnahme die CE-Kennzeichnung anbringen. Dies ergibt sich aus Art. 5 Abs. 1 lit. f, 16 Maschinenrichtlinie und aus § 7 V ProdSG i.V.m. 3 3 II Nr. 6, 5 I ProSV, die diese Bestimmungen umsetzen. Indem der Hersteller die CE-Kennzeichnung anbringt oder anbringen lässt, gibt er an, dass er die Verantwortung für die Konformität des Produkts mit allen in den einschlägigen Harmonisierungsrechtsvorschriften der Gemeinschaft enthaltenen für deren Anbringung geltenden Anforderungen übernimmt (Art. 30 III VO 765/2008/EG). Es ist irreführend, die CE-Kennzeichnung zu verwenden, wenn entweder die Sicherheitsanforderungen entgegen der Zertifizierung nicht erfüllt sind oder die angesprochenen Verkehrskreise der Kennzeichnung jedenfalls eine Bedeutung zumessen, die über den zertifizierten Bereich hinausgehen.
Quelle: OLG Frankfurt, Urteil vom 21.05.2015, Az. 6 U 64/14