Der BGH hat mit Urteil vom 17.12.2015, Az. I ZR 69/14, darüber entschieden, ob die Übernahme von Teilen eines Exklusivinterviews eines TV-Senders durch einen konkurrierenden TV-Sender zulässig sein kann. Die Leitsätze des Urteils:
- Die Sendung von Teilen eines zuvor durch ein anderes Sendeunternehmen ausgestrahlten Interviews stellt eine Verletzung der Rechte des erstausstrahlenden Sendeunternehmens dar, seine Sendungen aufzuzeichnen und später zu verbreiten.
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Eine solche Verwendung von Interviewteilen ist keine Berichterstattung über Tagesereignisse gemäß § 50 UrhG, weil die Bestimmung zwischen dem Tagesereignis und der im Verlauf dieses Ereignisses wahrnehmbar werdenden urheberrechtlich geschützten Leistung unterscheidet. Das übernommene Bildmaterial ist keine urheberrechtlich geschützte Leistung, die im Verlaufe eines Tagesereignisses, über das berichtet worden ist, wahrnehmbar geworden ist.
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Die Anwendung der Schutzschranke gemäß § 51 UrhG setzt nicht voraus, dass sich der Zitierende in erheblichem Umfang mit dem übernommenen Werk auseinandersetzt.
Der Sachverhalt der Entscheidung:
Die Klägerin strahlt das Fernsehprogramm SAT.1 aus. Zu ihren Sendungen gehört das Prominenten-Magazin „STARS & stories“. Die Beklagte betreibt den Fernsehsender VOX, der das Boulevard-Magazin „Prominent!“ ausstrahlt. In der Sendung „Prominent!“ vom 1.August 2010 verwendete die Beklagte zwei Szenen aus einem Exklusivinterview, das im Auftrag der Klägerin mit Liliana M. geführt und von der Klägerin zuvor am 26.Juli 2010 in ihrem Magazin „STARS & stories“ ausgestrahlt worden war. Am 3.August 2010 sendete die Beklagte in „Prominent!“ erneut insgesamt fünf verschiedene Szenen aus einem im Auftrag der Klägerin geführten Exklusivinterview mit Liliana M. und Matteo B. Die übernommenen Ausschnitte hatte die Klägerin in ihrer Sendung „STARS & stories“ am 2.August 2010 ausgestrahlt. Die Beklagte hatte sich jeweils vor Ausstrahlung ihrer Sendungen bei der Klägerin vergeblich um eine Zustimmung zur Verwendung von Bildmaterial aus den Interviews bemüht. Während der Wiedergabe der Ausschnitte aus den Interviews blendete die Beklagte auf der rechten Bildschirmseite um 90 Grad entgegen der üblichen Leserichtung gedreht von oben nach unten verlaufend die Angabe „Quelle: SAT.1“ ein.
Hiergeben wandte sich die Klägerin. Die Beklagte machte geltend, ihr Verhalten sei als Berichterstattung über Tagesereignisse zulässig.
Die Entscheidungsgründe der Entscheidung:
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Klägerin als Sendeunternehmen die ausschließlichen Rechte gemäß § 87 Abs. 1 UrhG an den Funksendungen „STARS & stories“ vom 26.Juli 2010 und vom 2.August 2010 zustehen, in denen das von der Beklagten in ihren Sendungen „VOX Prominent!“ vom 1.August 2010 und vom 3.August 2010 übernommene Bildmaterial von Interviews mit Liliana M. und Matteo B. gesendet worden ist. Die Beklagte hat damit in das der Klägerin zustehende Recht eingegriffen, ihre Sendungen aufzuzeichnen und später zu verbreiten, § 87 Abs. 1 Nr. 2, § 96 Abs. 1 UrhG.
Das Berufungsgericht ist außerdem zutreffend und von der Revision unbeanstandet davon ausgegangen, dass auch die Übernahme von Teilen einer Sendung in die durch § 87 Abs.1 UrhG geschützte Leistung des Sendeunternehmens eingreift.[…]
Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Verwendung der Interviewausschnitte nicht in entsprechender Anwendung des § 50 UrhG als Berichterstattung über Tagesereignisse zulässig war. Nach dieser Vorschrift ist zur Berichterstattung über Tagesereignisse durch Funk oder durch ähnliche technische Mittel, in Zeitungen, Zeitschriften und in anderen Druckschriften oder sonstigen Datenträgern, die im Wesentlichen Tagesinteressen Rechnung tragen, sowie im Film die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken, die im Verlauf dieser Ereignisse wahrnehmbar werden, in einem durch den Zweck gebotenen Umfang zulässig. Dabei ist unter einem Tagesereignis jedes aktuelle Geschehen zu verstehen, das für die Öffentlichkeit von Interesse ist, wobei ein Geschehen so lange aktuell ist, wie ein Bericht darüber von der Öffentlichkeit noch als Gegenwartsberichterstattung empfunden wird.
Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass die Verwendung der Ausschnitte aus den Sendungen der Klägerin nicht im Sinne von § 50 UrhG zur Berichterstattung über Tagesereignisse gerechtfertigt war. Die Schrankenregelung des § 50 UrhG dient der Meinungs- und Pressefreiheit sowie dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Sie soll die anschauliche Berichterstattung über aktuelle Ereignisse in den Fällen, in denen Journalisten oder ihren Auftraggebern die rechtzeitige Einholung der erforderlichen Zustimmungen noch vor dem Abdruck oder der Sendung eines aktuellen Berichts nicht möglich oder nicht zumutbar ist, dadurch erleichtern, dass sie die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe geschützter Werke, die im Verlauf solcher Ereignisse wahrnehmbar werden, ohne den Erwerb entsprechender Nutzungsrechte und ohne die Zahlung einer Vergütung erlaubt (BGHZ 175, 135 Rn. 49 – TV Total, mwN). Ist es dem Berichterstatter oder seinem Auftraggeber dagegen möglich und zumutbar, vor dem Abdruck oder der Sendung des Berichts die Zustimmung des Rechtsinhabers einzuholen, gibt es keine Rechtfertigung dafür, sich über die Belange des Berechtigten hinwegzusetzen.
Die Anwendung der Schutzschranke gemäß § 50 UrhG scheidet im Streitfall auch deshalb aus, weil das von der Beklagten übernommene Bildmaterial aus den Sendungen der Klägerin keine urheberrechtlich geschützte Leistung ist, die im Verlaufe eines Tagesereignisses, über das berichtet worden ist, wahrnehmbar geworden ist.
Die Bestimmung des § 50 UrhG unterscheidet nach ihrem Wortlaut zwischen dem Tagesereignis und dem im Verlauf dieses Ereignisses wahrnehmbar werdenden urheberrechtlich geschützten Werk. Ist § 50 UrhG gemäß § 87 Abs. 4 UrhG entsprechend anzuwenden, ist dementsprechend zwischen dem Tagesereignis und der geschützten Sendung zu unterscheiden. Nicht privilegiert ist eine Berichterstattung, die das Werk oder die urheberrechtlich geschützte Leistung selbst zum Gegenstand hat […]. Das Werk muss vielmehr bei einem anderen Ereignis in Erscheinung treten […]. Daraus ergibt sich, dass die von der Klägerin im Rahmen ihres Fernsehprogramms gesendeten Interviews, also die urheberrechtlich geschützten Leistungen, nicht als aktuelles Tagesereignis im Sinne von § 50 UrhG in Betracht kommen. Entgegen der Auffassung der Revision scheiden auch die Interview selbst und ihr Inhalt als Tagesereignis im Sinne von § 50 UrhG aus. Die Sendung und damit der urheberrechtlich geschützte Gegenstand werden nicht im Verlauf des Interviews wahrnehmbar. Es kommt hinzu, dass die Interviews exklusiv gegenüber der Klägerin gegeben worden sind. In einem solchen Fall lassen sich das Interview und die Sendung des Interviews nicht getrennt betrachten. Anderenfalls wären Exklusivrechte an einer Berichterstattung durch Funksendungen regelmäßig dadurch entwertet, dass diese bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 50 UrhG stets zustimmungs- und vergütungsfrei von Dritten genutzt werden könnten. Eine solche Einschränkung des Urheberrechts ist auch unter Berücksichtigung des Schutzwecks des § 50 UrhG nicht geboten.