Das Hanseatische Oberlandesgericht hat sich mit Beschluss vom 02.02.2015, Az. 5 W 47/13, zu dem Umfang der sekundären Darlegungslast des Abgemahnten geäußert. Im Ergebnis vertritt es die begrüßenswerte Ansicht, dass die sekundäre Darlegungslast beim Filesharing wesentlich weniger weit reicht, als die abmahnenden Rechteinhaber und die Kanzleien, die diese vertreten, den Abgemahnten Glauben machen möchten. Die bloße Mitbenutzungsmöglichkeit des Internetanschlusses durch dritte Personen soll genügen, damit der abgemahnte Anschlussinhaber nicht für das Filesharing haftet.
Sekundäre Darlegungswas?
Die sekundäre Darlegungslast ist keine Besonderheit des Filesharings. Sie bezeichnet im Wesentlichen die Verpflichtung einer in Anspruch genommenen Person, den geltend gemachten Anspruch nicht einfach nur zu bestreiten, sondern auch gegen diesen Anspruch sprechende Tatsachen substantiiert vorzutragen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn dem in Anspruch Genommenen nähere Angaben hierzu möglich und zumutbar sind, weil sich die wesentlichen Tatsachen, auf die sich der Anspruch stützt in seinem Herrschaftsbereich abspielen. Anders formuliert: Die abmahnenden Rechteinhaber können durch die Ermittlugn der IP-Adresse immer nur „bis zur Haustür“ ermitteln und den Anschlussinhaber ausfindig machen. Ob dieser tatsächlich für die Rechtsverletzung verantwortlich ist, können sie nicht wissen. Hierfür spricht nach der Rechtsprechung des BgGH jedoch eine tatsächliche Vermutung. Diese Vermutung kann der Anschlussinhaber jedoch entkräften, wenn er besagter sekundärer Darlegungslast genügt.
In dem vorliegenden Fall hat das OLG Hamburg hierzu wie folgt ausgeführt:
„Zu verlangen, dass ein Anschlussinhaber stundengenau darüber Auskunft gibt und glaubhaft macht, wer zu welchen Zeitpunkten den in Rede stehenden Rechner tatsächlich benutzt hat, würde eine Überspannung der Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast bedeuten. Dies würde nämlich in der Praxis dazu führen, dass die tatsächliche Vermutung einer täterschriftlichen Verantwortung, die sich alleine auf die Tatsache stützt, dass von einem bestimmten Internetzugang aus Urheberrechtsverletzungen begangen wurden, faktisch unwiderlegbar wäre. Denn es widerspricht jeder Lebenserfahrung das ein Anschlussinhaber einen derart alltäglichen Vorgang wie die Nutzung eines Computers mit Internetzugang bereits nach einigen wenigen Tagen noch präzise genug erinnern kann, um eine derartige Auskunft zu geben, geschweige denn an Eides statt versichern zu können. Es wäre auch lebensfremd, von jedem Anschlussinhaber zu erwarten, dass er dokumentiert wer von seinen Familienangehörigen wann seinen Internetzugang benutzt hat.„
Nach – zutreffender – Ansicht des OLG Hamburg würde dies dazu führen, dass der Anschlussinhaber quasi ein „Logbuch“ darüber führen müsste, welche in dem Haushalt lebenden Personen wann genau das Internet benutzt haben. Eine Forderung, die angesichts der Tatsache, dass gerade bei Mehrpersonenhaushalten oft jede Person mehrere Internetfähigen Endgeräte besitzt, völlig lebensfern und nicht erfüllbar wäre.
Das OLG Hamburg weiter:
„Die genannte sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers bedeutet nämlich ebenso wenig eine Umkehr der Beweislast wie eine über seine prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast hinausgehende Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Gegner alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen. Erst recht obliegt dem Anschlussinhaber nicht der Beweis des Gegenteils in dem Sinne, dass er sich bei jeder über seinen Internetzugang begangenen Rechtsverletzung vom Vorwurf der täterschafltichen Begehung entlasten oder exkulpieren muss. Die tatsächliche Vermutung seiner Verantwortlichkeit beruht nämlich nicht auf einer gesetzlichen Wertung, sondern wie der Beweis des ersten Anscheins auf der Annahme eines der Lebenserfahrung entsprechenden Geschehensablauf, wonach in erster Linie der Anschlussinhaber seinen Internetzugang nutzt, jedenfalls über die Art und Weise der Nutzung bestimmt und diese mit Tatherrschaft bewusst kontrolliert.“
Einen Haken hat die Entscheidung des OLG Hamburg für abgemahnte Anschlussinhaber aber doch: Eine Verpflichtung, Angehörige zu überwachen, soll zwar nicht in Betracht kommen, wenn bisher kein Grund zu der Annahme bestand, dass das Internet zum Filesharing benutzt wird. Umgekehrt hieße das aber, dass eine Überwachungspflicht und damit auch eine Verpflichtung, die Nutzung des Internets zu protokollieren, dann in Betracht kommt, wenn der Anschlussinhaber in der Vergangenheit bereits abgemahnt worden ist. Was dann natürlich die weitere Frage aufwerfen würde, wie weit in der Vergangenheit eine zuvor begangene Urheberrechtsverletzung liegen muss, damit die Überwachungspflicht wieder entfällt.