Das Landgericht Berlin hat in einem Hinweis Beschluss vom 09.09.2016, 15 S 50/15, dem abgemahnten Anschlussinhaber weitreichende Pflichten auferlegt.
Der beklagte Anschlussinhaber hatte sich gegen die Inanspruchnahme hinsichtlich der gegen ihn geltend gemachten Schadensersatzforderungen verteidigt, in dem er vorgetragen hatte, dass er den Internetanschluss nicht allein, sondern gemeinsam mit seiner Ehefrau, einem volljährigen Sohn sowie zwei weiteren minderjährigen Kindern ohne individuelle Nutzungsbeschränkung genutzt habe. Der volljährige Sohn wurde namentlich genannt; die zwei weiteren minderjährigen Kinder nicht. Nach Erhalt der Abmahnung habe er alle internetfähigen Geräte stichprobenartig kontrolliert, jedoch keine Filesharing – Software gefunden. Die Ehefrau und der volljährige Sohn hätten auf sein Befragen hin glaubwürdig versichert, dass sie die Rechtsverletzung nicht begangen hätten.
Dies reicht dem Landgericht Berlin offensichtlich nicht aus. So führt das Landgericht Berlin unter anderem aus, dass eine Befragung der theoretisch ebenfalls als Täter infrage kommenden minderjährigen Kinder erforderlich gewesen wäre, da es sich bei dem Film, dessen öffentliche Zugänglichmachung abgemahnt worden war, um einen Familienfilm der FSK- Einstufung 0 handele. Es sei nicht nachzuvollziehen, warum der Anschlussinhaber den Angaben von Ehefrau und volljährigen Sohn habe Glauben schenken dürfen (!) und wie er deren Einlassung verifiziert habe. Es hätte nahe gelegen, so das Landgericht Berlin weiter, das Router-Protokoll auf auffälligen Upload-Datenverkehr im angeblichen Tatzeitraum zu überprüfen oder die Browserverläufe im Detail nachzuvollziehen.
Der Beklagte hätte weiter detaillierter darlegen müssen, worin die stichprobenartige Kontrolle bestanden haben soll. Ob und welche Personen zur Tatzeit zu Hause waren, sei irrelevant, da die gängige Filesharing Software die Gegenwart eines Nutzers nicht erfordere.
Der Beklagte biete daher lediglich eine Vielzahl nach Möglichkeit und Gelegenheit theoretisch Tatverdächtige an, ohne aber eine konkrete Person fundiert „ans Messer“ (Zitat!) liefern zu können.
Das Landgericht Berlin schwenkt damit auf die Linie ein, die auch bereits vom Landgericht München vertreten wurde.
Entgegen den Anforderungen, die der Bundesgerichtshof in seinen bisherigen Urteilen zum Thema Filesharing aufgestellt hat, ist es nach Ansicht dieser beiden Landgericht wohl offenbar erforderlich, dass der abgemahnte Anschlussinhaber dem Rechteinhaber nicht nur mögliche Täter benennt, die die konkrete Möglichkeit der Rechtsverletzung hatten. Die Pflichten des abgemahnten Anschlussinhabers gehen nach Ansicht dieser beiden Gerichte offenbar sogar so weit, dass er dem Rechteinhaber den wahren Schuldigen auf dem berühmten Silbertablett präsentieren muss.
Eine solche weitgehende Verpflichtung des abgemahnten Anschlussinhabers, an seiner eigenen Entlastung mitzuwirken, lässt sich der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bislang jedoch nicht entnehmen. Es ist immer wieder überraschend, wie sehr manche unteren Instanzgerichte hier über das Ziel hinaus schießen.
Für abgemahnte Anschlussinhaber, die zu Hause eine mehrköpfige Familie haben, ist es daher wohl derzeit keine gute Idee, frohgemut darauf zu verweisen, dass Mitglieder der Familie die Möglichkeit gehabt hätten, eine Urheberrechtsverletzung begehen und sie selber daher nicht haften würden. Zumindest in dem Gerichtsbezirken Berlin und München wird eine solche Argumentation wenig Erfolg haben. Es wird sich daher im Zweifelsfall anbieten, der abmahnenden Rechtsanwaltskanzlei zunächst keine verwertbaren Informationen über das Nutzungsverhalten vor Ort zu geben, jedenfalls dann, wenn dies ausschließlich Familienmitglieder betrifft.