Die unerwünschte Veröffentlichung geschäftlicher E-Mails kann eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellen, urteilte das LG Hamburg mit Urteil vom 23.11.2015, Az. 324 O 90/15.
Der Beklagte des Rechtsstreits veröffentlichte Auszüge aus dem E-Mail-Verkehr mit der Klägerin, der anlässlich der Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Lebensgefährtin des Beklagten durch die Klägerin ins Rollen kam. Das LG Hamburg sah dies im Ergebnis als rechtswidrig an und begründete dies wie folgt:
„Die Verbreitung der von der Antragstellerin verfassten E-Mails (Anlagen ASt 2 und 3) sowie die Verbreitung des Fragenkatalogs und des Eintrags unter Xing verletzt das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin. Sie greifen rechtswidrig in die Sozialsphäre der Antragstellerin ein, da sie einem größeren Empfängerkreis Informationen aus der Korrespondenz der Antragstellerin mit einer (ehemaligen) Angestellten bzw. aus dem arbeitsgerichtlichen Verfahren offenbaren und diese Verbreitung nicht gerechtfertigt ist.
Es ist zunächst zu berücksichtigen, dass in der Rechtsgüterabwägung der abgestufte Schutzumfang der einzelnen Sphären zu beachten ist. Die beiden E-Mails stammen aus der beruflichen Korrespondenz der Antragstellerin. Grundsätzlich sind wahre Tatsachen aus der Sozialsphäre von dem Betroffenen hinzunehmen, soweit sie nicht zu einer Stigmatisierung oder sozialen Ausgrenzung führen (vgl. BVerfGE 97, 391, 403ff.; 99, 185, 196f.; BVerfG, NJW 2011, 47, 48 m.w.N.; BGH, NJW 2010, 2432, 2433). Ob diese Gefahr bei der Weiterverbreitung der streitgegenständlichen E-Mails im Zusammenhang mit dem jeweils beigefügten, durchaus kritischen Fragenkatalog des Antragsgegners gegeben ist, kann dahinstehen. Der Meinungsfreiheit bzw. dem Informationsinteresse kommt bei Mitteilungen, die nicht im privaten Interesse, sondern in öffentlichen Angelegenheiten erfolgen, grundsätzlich ein hoher Rang zu (BVerfG, Beschluss v. 12.04.1991, 1 BvR 1088/88 – Juris Abs. 14). Vorliegend werden mit der verbreiteten Korrespondenz der Antragstellerin jedoch solche Angelegenheiten, wie sie der zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu Grunde lagen, gerade nicht thematisiert. Zudem verbleibt auch in dem Bereich der Sozialsphäre dem Betroffenen grundsätzlich die Bestimmung darüber, welcher Öffentlichkeit er personal vorgestellt wird (Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 5 Rz. 65):
Die Kündigung bzw. der mit ihr einhergehende Regelungsbedarf betrifft einen Vorgang, der sich zwar in der beruflichen Sphäre der Antragstellerin abspielt, gleichzeitig jedoch einen Bereich betrifft, der regelmäßig aufgrund der Sensibilität von Kündigungen – auch für den betroffenen Arbeitnehmer – gerade nicht unter Einbeziehung einer größere Öffentlichkeit erfolgt. Daher ist hier ein Bereich der Sozialsphäre betroffen, der grundsätzlich ein besonderes Maß an Vertraulichkeit genießt. Dies hat die Antragstellerin durch die Auswahl der Adressanten der E-Mails deutlich gemacht. Die von ihr gewählte Vertraulichkeit der Korrespondenz wird auch nicht dadurch beeinträchtigt, dass sie die Mail vom 17.04.2015 auch zwei weiteren – offensichtlich dem Unternehmen zugehörigen – Personen zur Kenntnis gegeben hat. Dies führt zu keiner Öffnung des gewählten Empfängerkreises, der eine öffentliche Weiterverbreitung rechtfertigen kann.
Vorliegend kann, anders als in der zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, zugunsten des Antragsgegners nicht berücksichtigt werden, dass für eine öffentliche Verbreitung der Nachrichten ein berechtigtes Informationsinteresse besteht. Die Verbreitung ist, selbst wenn zu Gunsten des Antragsgegners seine Sachverhaltsschilderung als wahr unterstellt wird, rechtswidrig. Soweit der Antragsgegner einen Widerspruch in dem nach außen gerichteten beruflichen sowie politischen Auftreten der Antragstellerin und ihrem Verhalten gegenüber Mitarbeitern behauptet, trägt er dazu nicht konkret vor, so dass nicht erkennbar ist, ob ein solcher Widerspruch bezogen auf die Kündigung seiner Lebensgefährtin überhaupt behauptet wird. Die Antragstellerin steht auch nicht derart intensiv im Blickpunkt der Öffentlichkeit, dass aufgrund ihrer Leitbild- und Kontrastfunktion eine Verbreitung zulässig wäre. Aus den von dem Antragsgegner eingereichten Berichterstattungen geht eine solche Stellung der Antragstellerin nicht hervor, ebenso wenig eine Öffnung ihrer Privatsphäre. Es kommt aber insbesondere hinzu, dass der Antragsgegner nicht konkret darlegt, aus welchen konkreten Gründen die öffentliche Auseinandersetzung mit dem arbeitsrechtlichen Streit und dem anschließenden Verfahren geboten ist. Es handelt sich nicht um den Rechtsstreit des Antragsgegners, sondern um den seiner Lebensgefährtin. Diese hat das Arbeitsverhältnis und damit auch die Auseinandersetzung mit ihrer ehemaligen Arbeitgeberin vor längerer Zeit mit einem Vergleich beendet. Gründe, die einen aktuellen Bezug oder einen anderweitigen Zusammenhang herstellen und eine öffentliche Diskussion über die Kündigung oder den Rechtsstreit tragen könnten, werden nicht vorgebracht.
Zudem ist durch die Weiterverbreitung der E-Mails auch das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Antragstellerin betroffen. Neben dem Kommunikationsinhalt wird auch das Kommunikationsverhalten bzw. die Ausdrucksweise der Antragstellerin aus den Nachrichten erkennbar (BGH, Urteil v. 30.09.2014, VI ZR 490/12 – Juris Abs. 15). Vor diesem Hintergrund ist dem Interesse der Antragstellerin der Vorzug zu geben„.
Aus dieser Entscheidung lässt sich nicht der Schluss ziehen, dass eine Veröffentlichung beruflicher E-Mails stets eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellt. Es muss immer eine einzelfallbezogene Güter- und Interessenabwägung stattfinden. Diese soll, zumindest nach der hier vertretenen Ansicht, in diesem konkreten Fall nur äußerst unzureichend vorgenommen worden sein.