Ein Mandant war vor einigen Wochen Opfer eines Verkehrsunfalles. Er trug mehrere Frakturen davon, ein längerer Krankenhausaufenthalt sowie eine noch wesentlich länger andauernde medizinische Rehabilitation sind die Folge. Derzeit kann der Mandant sich nur unter Schmerzen und nur mit Gehhilfen fortbewegen. Nun steht zum einen die Geltendmachung von Schadensersatz und Schmerzensgeld bevor; zum anderen gewinnt der Fall aber auch noch eine gänzlich unvorhergesehene Komponente: Der Unfallverursacher unterstellt dem Mandanten, dass er seine Verletzungen nur vortäusche und hat sogar schon Videoaufnahmen von dem Mandanten angefertigt, als sich dieser bei einem örtlichen Straßenfest einfand. Mal ganz abgesehen davon, dass schon eine gehörige Portion Realitätsverleugnung dazu gehört, ernsthaft davon überzeugt zu sein, dass die medizinisch nachgewiesenen Verletzungen gar nicht existieren, ist das Verhalten des Unfallverursachers natürlich rechtswidrig und wird Gegenstand einer alsbald zu beantragenden einstweiligen Verfügung bei Gericht sein. Aber wie ist das eigentlich generell – darf man zu Beweiszwecken Fotos oder Filmaufnahmen von einer anderen Person anfertigen?
Die ober- und höchstrichterliche Rechtsprechung sieht derartige Videoaufnahmen sehr skeptisch
Der BGH hat schon 1995 geurteilt, dass auch in der Öffentlichkeit gefertigte Videoaufnahmen einen unzulässigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen darstellen können, selbst wenn keine Verbreitungsabsicht besteht, vgl. BGH, Urteil vom 25.04.1995, Az.: VI ZR 272/94. Ob ein derartiger rechtswidriger Eingriff anzunehmen sei, so der BGH weiter, könne nur unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und durch Vornahme einer die (verfassungs-)rechtlich geschützten Positionen der Beteiligten berücksichtigenden Güter- und Interessenabwägung ermittelt werden.
Das OLG Köln hatte zu entscheiden, ob die heimliche Videoüberwachung einer Waschküche zulässig war. Bewiesen werden sollte so die mutwillige Beschädigung zweier Waschmaschinen durch eine bestimmte Person. Das OLG Köln führte hierzu aus, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht, solange nicht die unantastbare Intimsphäre des Betroffenen berührt sei, keinem schrankenlosen Schutz unterliege, vgl. OLG Köln, Urteil vom 05.07.2005, Az.: 24 U 12/05. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht trete in Konflikt mit den gegebenenfalls vorhandenen berechtigten Interessen desjenigen, der die Videoaufzeichnungen angefertigt hat. Beide Belange seien unter maßgeblicher Berücksichtigung der besonderen Umstände des konkreten Falls bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit des Vorgehens gegeneinander abzuwägen. Im Ergebnis bejahte das OLG Köln einen Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht, da es um keine erhebliche Straftat, sondern nur um eine Sachbeschädigung ging.
Auch das OLG Karlsruhe hat in einem ähnlichen Fall angenommen, dass versteckte Videoaufnahmen zum Nachweis einer Sachbeschädigung einem Beweisverwertungsverbot unterliegen, vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 08.11.2001, Az.: 12 U 180/01. Konkret ging es um Beschädigungen eines PKW und eine deswegen durchgeführte Videoüberwachung des Stellplatzes. Das OLG Karlsruhe betont, dass es Fälle denkbar sind, in denen Videoaufnahmen letztlich als rechtmäßig zu beurteilen sein können. Hierfür sei aber zum einen Voraussetzung, dass es sich um eine erhebliche Straftat handele, deren Intensität der Beeinträchtigung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Betroffenen mindestens gleichkomme, und zum anderen, dass die Videoaufzeichnung grundsätzlich geeignet sei, hinreichend sichere Schlüsse auf die Täter begangener Straftaten zuzulassen.
Generell gilt also: Die Anfertigung von Fotos oder Videoaufnahmen von Personen, auch in der Öffentlichkeit, ohne Wissen und Wollen der Betroffenen stellt in der Regel einen unzulässigen Eingriff in deren Allgemeines Persönlichkeitsrecht dar. Nur ausnahmsweise kann eine solche Form der Überwachung zulässig sein, wenn sie der Aufdeckung erheblicher Straftaten dienen soll und mit hinreichender Erfolgsaussicht dienen kann. Im Zweifelsfall sollte man daher als derjenige, der eine Überwachungsmaßnahme anstrebt, anwaltlichen Rat einholen, ob dies in dem konkreten Fall rechtmäßig sein kann. Als Betroffener einer unzulässigen Überwachung können Sie insbesondere Unterlassung und ggf. Schadensersatz verlangen.
In dem eingangs dargestellten Fall dürfte das Gericht allerdings keinerlei Bedenken dagegen haben, die Anfertigung von Videoaufnahmen zur „Überführung“ des vermeintlichen Simulanten als unzulässig zu erklären.