Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 23.09.2014 (VI ZR 358/13) entschieden, dass einem Arzt kein Anspruch auf Löschung seiner beruflichen Daten aus dem Ärztebewertungsportal „jameda“ zusteht.
Bereits die Vorinstanzen verneinen einen Löschungsanspruch
Dem bereits in der ersten Instanz vor dem Amtsgericht München verhandelte Fall lag im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde, vgl. Amtsgericht München, Urteil vom 12.10.2012, Az. 158 C 13912/12:
„Die Beklagte betreibt unter der Internetadresse jameda.de ein Ärztebewertungsportal. Dort bietet sie eine Arztsuche und eine Ärztebewertung an. Internetnutzer können Informationen zu Ärzten und anderen Heilberuflern kostenfrei abrufen. Soweit vorhanden sind auf dem Portal die von der Beklagten als Basisdaten bezeichneten Informationen wie Name, Titel, Fachrichtung, Praxisanschrift und weitere Kontaktdaten sowie ggf. auch Sprechzeiten und ähnliche praxisbezogene Informationen abrufbar. Diese Basisdaten bietet die Beklagte als eigene Informationen an. Nach vorheriger Registrierung können Bewertungen in einem Notenschema und Freitextkommentare eingegeben werden. Die Noten und Kommentare sind dann für andere Nutzer abrufbar und werden von der Beklagten als fremde Information angeboten. Eine Bewertung ohne vorherige Registrierung ist nicht möglich. Im Rahmen der Registrierung muss eine gültige E-Mail-Adresse angegeben werden, die im Zuge des Registrierungsvorgangs verifiziert wird.
Der Kläger ist Gynäkologe. Im Internetauftritt der Beklagten ist über ihn ein Eintrag mit folgenden Daten vorhanden:
Dr. […]
Arzt, Frauenarzt (Gynäkologe)
[…] München
Darunter finden sich drei anonymisierte Bewertungen:
Bewertung vom 24.01.2012: toller Arzt – sehr empfehlenswert
Bewertung vom 27.01.2012: na ja…
Bewertung vom 15.03.2012: kompetenter, netter Arzt, sehr zu empfehlen!
Gestützt auf sein allgemeines Persönlichkeitsrecht verlangt der Kläger von der Beklagten, es zu unterlassen, die ihn betreffenden Daten – also „Basisdaten“ und Bewertungen – auf der genannten Internetseite zu veröffentlichen, und sein Profil vollständig zu löschen.“
Sowohl das Amtsgericht München als auch die Berufungsinstanz haben die Klage des Arztes abgewiesen. Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt, der geltend gemachte Löschungsanspruch bestünde nicht, weil das Recht des Bewertungsportals auf Kommunikationsfreiheit das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung überwiege. Das Bewertungsportal sei deshalb nach § 29 Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) zur Erhebung, Speicherung und Nutzung der Daten des Klägers berechtigt.“
Recht auf informationelle Selbstbestimmung tritt hinter Recht auf Kommunikationsfreiheit zurück
Dieser Gewichtung hat sich nun auch der Bundesgerichtshof angeschlossen und führt hierzu aus:
„Zwar werde ein Arzt durch seine Aufnahme in ein Bewertungsportal nicht unerheblich belastet. Abgegebene Bewertungen können etwa – neben den Auswirkungen für den sozialen und beruflichen Geltungsanspruch des Arztes – die Arztwahl behandlungsbedürftiger Personen beeinflussen, so dass er im Falle negativer Bewertungen möglicherweise wirtschaftliche Nachteile zu befürchten hat. Auch bestehe eine gewisse Gefahr des Missbrauchs des Portals.
Auf der anderen Seite sei aber zu berücksichtigen, dass das Interesse der Öffentlichkeit an Informationen über ärztliche Leistungen vor dem Hintergrund der freien Arztwahl ganz erheblich ist und das von der Beklagten betriebene Portal dazu beitragen kann, einem Patienten die aus seiner Sicht erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen.
Zudem berühre die für den Betrieb des Portals erhobenen, gespeicherten und übermittelten Daten den Arzt nur in seiner sogenannten „Sozialsphäre“, also in einem Bereich, in dem sich die persönliche Entfaltung von vornherein im Kontakt mit anderen Personen vollziehe. Hier müsse sich der Einzelne auf die Beobachtung seines Verhaltens durch eine breitere Öffentlichkeit sowie auf Kritik einstellen. Missbrauchsgefahren sei der betroffene Arzt nicht schutzlos ausgeliefert, da er von der Beklagten die Löschung unwahrer Tatsachenbehauptungen sowie beleidigender oder sonst unzulässiger Bewertungen verlangen könne. Dass Bewertungen anonym abgegeben werden können, führe zu keinem anderen Ergebnis. Denn die Möglichkeit zur anonymen Nutzung sei dem Internet immanent (vgl. § 13 Abs. 6 Satz 1 des Telemediengesetzes)“.
Quelle: PM Nr. 132/2014 des BGH vom 23.09.2014
Bisherige Rechtsprechung zum Löschungsanspruch wird konsequent forgeführt
Bereits 2009 hatte der BGH entschieden, dass die anonyme Bewertung der beruflichen Tätigkeit von Lehrern im Internet mittels eines Schulnotensystems keine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts der bewerteten Lehrer darstelle, sog. „Spick Mich“-Entscheidung. Auch die Veröffentlichung der personenbezogenen Daten der Lehrer, so der BGH seinerzeit, sei dann zulässig, wenn diese bereits an anderer Stelle öffentlich verfügbar waren.
Im Lichte dieser und der jetzigen Entscheidung kann man es wohl als „gesicherte Rechtsprechung“ erachten, dass die Veröffentlichung personenbezogener beruflicher Daten nebst dazugehörigem Bewertungssystem nicht nur für Ärzte und Lehrer, sondern auch für andere Berufsgruppen zulässig ist.
Kein Anspruch auf Nichtbewertung
Eine Entscheidung, die im Lichte der bisherigen Rechtsprechung konsequent und wohl auch „richtig“ ist. Zumindest formal richtig. Ein fader Beigeschmack bleibt allerdings, da das Recht des Einzelnen auf informationelle Selbstbestimmung, also das Recht darüber zu entscheiden, wann und wo welche persönlichen Daten der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden, so als „weniger wichtig“ gegenüber dem öffentlichen Informationsinteresse zementiert wird.
Von Bewertungen betroffene Berufsgruppen, insbesondere Ärtze, haben zudem sicher anderes zu tun, als auch noch regelmäßig einschlägige Bewertungsportale auf falsche Bewertungen zu überprüfen. Auch Personen, deren Beruf einen erhöhten Öffentlichkeitsbezug aufweist, sollte grundsätzlich ein Mitspracherecht bei der Frage eingeräumt werden, ob sie derart ins Licht der Öfentlichkeit gerückt werden wollen.