Ein Modefotograf verlangt von einem Unternehmen Schadensersatz wegen der unerlaubten Verwendung von Fotografien über den vereinbarten Zeitraum hinaus.
Der Fotograf erstellte für das Unternehmen Fotografien von Models. Das beklagte Unternehmen benutzte die Fotografien für die Gestaltung von Produktverpackungen für Haarfärbemittel. Die Fotografien wurden zunächst in Deutschland vervielfältigt, später auf den Produktverpackungen der niederländischen Tochtergesellschaft des Unternehmens in den Niederlanden verwendet. Soweit unproblematisch, allerdings verwendete das Unternehmen die Fotografien über den vereinbarten Zeitraum hinaus.
Urheberrechtliche Nutzungsrechte können zeitlich beschränkt werden
Der Urheber bestimmt darüber, welche Rechte er seinem Kunden erteilen möchte. Im besten Fall regelt man das in einem Lizenzvertrag, der festlegt, welche Rechte in welchem zeitlichen und örtlichen Umfang eingeräumt werden. Je umfassender die Rechte eingeräumt werden, desto mehr Lizenzgebühren sind im Regelfall an den Urheber zu zahlen, erst recht, wenn die Rechte exklusiv eingeräumt werden. Vorliegend verwendete das Unternehmen die Fotografien über den im Lizenzvertrag vereinbarten Zeitraum hinaus. Der Fotograf forderte daher Schadensersatz und zwar nicht wenig: In erster Instanz forderte er 1.684.748,49 €. Außergerichtlich hatte das Unternehmen bereits 65.000,00 € freiwillig gezahlt. Das Landgericht sprach ihm allerdings „nur“ weitere 317.282,16 € zu. Dem Fotografen stehe ein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz gemäß den Grundsätzen des Verletzergewinns zu. Das Unternehmen müsse sich als Konzernmutter das Inverkehrbringen durch die niederländische Tochtergesellschaft zurechnen lassen. Hiergegen legten Fotograf und Unternehmen Berufung ein.
Nach den Feststellungen des OLG Frankfurt a.M. belief sich der Gewinn des Unternehmens auf ca 2,45 Mio. €.
Zur Ermittlung des Verletzergewinns ist zunächst der Gesamtgewinn, den die Beklagte aus dem Vertrieb der mit den Fotos des Klägers auf der Umverpackung versehenen Produkte erzielt hat, um sämtliche Kosten zu bereinigen, die – ebenso wie die Einkaufs- und Materialkosten – diesem Vertrieb unmittelbar zugerechnet werden können. Dieser Verletzergewinn ist sodann nur insoweit herauszugeben, als er auf der Urheberrechtsverletzung beruht.
Die Fotografien hatten nach der Ansicht des OLG Frankfurt a.M. hieran einen Kausalitätsanteil von 2,5 %. Die Erwägungen des OLG hierzu sind durchaus interessant, denn wie will man bestimmen, welchen Anteil die Fotografien von Haaren an der Kaufentscheidung des Kunden haben?
Im vorliegenden Fall ist zunächst der Anteil zu schätzen, den das Packungsfoto auf die Kaufentscheidung der potentiellen Kundinnen der verpackten Haarfärbeprodukte hat. In einem zweiten Schritt ist zu ermitteln, in welchem Umfang dieser Anteil auf die schöpferische Leistung des Klägers zurückzuführen ist.
Der Senat schätzt den Anteil der gegenständlichen Verpackungsfotos an der Entstehung des Verletzergewinns auf jedenfalls nicht mehr als 5 %.
Der Kläger stützt seine Behauptung, der kausale Anteil der Fotos betrage rund 30 %, in erster Linie auf eine von ihm beauftragte Studie des Instituts für Customer Insight, Universität Stadt1. Dieses hat eine online-Studie mit 448 Frauen in Deutschland durchgeführt, wobei die Angaben von 203 Teilnehmerinnen ausgewertet wurden. Es hat den Teilnehmerinnen unter anderem Packungen verschiedener Farben mit Foto und dieselben (elektronisch bearbeiteten) Packungen ohne Foto vorgelegt. Dabei habe sich ergeben, dass die Verpackungen mit Foto den Konsumenten im Schnitt um 33,3 % besser gefallen hätten und zu 25,6 % zu mehr „Arousal“ (= „Angeregtheit“) geführt habe, was schließlich auch die Zahlungsbereitschaft erhöht habe. Daraus zieht die Studie den Schluss, dass Portrait-Fotos einen zentralen Baustein des Verpackungsdesigns darstellten und schätzungsweise einen Anteil von 25,6 % bis 33,3 % an der Kaufentscheidung von Konsumenten ausmachten.
Die Beklagte hat ihrerseits die Firma GfK in den Niederlanden beauftragt. Diese hat aus einer Brutto-Stichprobe von 2300 Frauen in den Niederlanden die Antwort von 600 Teilnehmerinnen im Alter von 16-74 Jahren, die permanente Haarfarbe verwenden […] zu ihren Kriterien bei der Wahl von dauerhafter Haarfarbe befragt. Bei der Auswertung kommt GfK zu dem Ergebnis, dass die wichtigsten Kriterien das Maß der Grauabdeckung und der Preis seien, während ein ansprechendes Foto und ein attraktives Modell auf der Verpackung die unwichtigsten Kriterien seien.
Wir wollen das an dieser Stelle nicht weiter ausführen, es wird nicht weniger kompliziert.
5 % wären bei einem derartigen Gewinn ja immer noch nicht wenig, allerdings kommt jetzt Schritt 2: Wie hoch ist denn die schöpferische Leistungen des Fotografen einzuschätzen, welchen Anteil hat sie an der Kaufentscheidung des Kunden? Hierzu sagt das OLG:
Der Anreiz, den das Foto für die Kaufentscheidung bietet, hängt nach Auffassung des Senats in weiten Teilen von der Haarfarbe sowie von der Person des portraitierten Modells ab (als „Sympathieträger“), einschließlich ihrem äußeren Erscheinungsbild (Frisur, Make Up), auf die der Kläger nur geringen Einfluss hatte. Der Senat verkennt nicht, dass die fotografischen Leistungen des Klägers, wie Beleuchtung, Kamera, Blickwinkel etc erforderlich sind, um diese Faktoren herauszuheben. Allerdings kann dieser Kausalanteil an der Wirkung des Fotos mit nicht mehr als 50 % bemessen werden. Das gilt umso mehr, als die Fotos nachträglich von der Beklagten bearbeitet worden sind.
Im Ergebnis kommt das OLG auf 2,5 %, was 61.280,08 € entspricht. Da das Unternehmen außergerichtlich bereits freiwillig 65.000,00 € an den Fotografen gezahlt hatte, wurde die Klage abgewiesen.
Verbreitung der Fotografien in den Niederlangen ist Mutterkonzern in Deutschland nicht zuzurechnen
Darüber hinaus wurde nach Ansicht des OLG die urheberrechtlich relevante Vervielfältigungshandlung nicht in Deutschland vorgenommen. Das Drucken der Fotografien habe noch nicht zu einem Schaden des Fotografen geführt. Der Vertrieb sei ausschließlich in den Niederlanden erfolgt. Die Weitergabe der Fotografien vom Mutterkonzern an die Tochtergesellschaft sei eine rein konzerninterne Warenbewegung. Ob das Unternehmen für die Verbreitung der Produktverpackungen in den Niederlanden verantwortlich sei, bestimmte sich nach niederländischem Recht.
Fotografen/Urhebern sei im Lichte dieser Entscheidung zur doppelten Vorsicht geraten: Zum einen sollte man den eigenen schöpferischen Anteil bei der Frage nach der Höhe des herauszugebenden Gewinns nicht zu hoch einschätzen; zum anderen muss man bei Sachverhalten mit Auslandsbezug vorsichtig sein und genau prüfen, nach dem Recht welchen Staates sich welches Verhalten beurteilt.