Das OLG Hamm hat mit Urteil vom 20.02.2017, 3 U 138/15, entschieden, dass ein Schmerzensgeld von 7.000,00 € für die unerlaubte Veröffentlichung intimer Fotos der Ex-Freundin im Internet angemessen sind.
Leitsatz: Wird ein intimes Foto ohne Zustimmung der abgebildeten Person im Internet veröffentlicht und erleidet die abgebildete Person dadurch einen gesundheitlichen Schaden, kann ihr wegen der Verletzung der Gesundheit ein Anspruch auf Schmerzensgeld und wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Gestalt des Rechts am eigenen Bild ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung zustehen. Ein auf beide Anspruchsgrundlagen gestütztes Klagebegehren stellt einen prozessual einheitlichen Streitgegenstand dar.
Aus den Urteilsgründen:
„Die Parteien führten eine etwa zweijährige Liebesbeziehung. Im Jahr 2011 fertigte de[r Beklagte mit seinem Handy ein Foto von der Klägerin, welches sie bei der Ausführung von Oralverkehr an ihm zeigt. Das Gesicht der Klägerin ist auf dem Foto erkennbar.
Anfang Oktober 2013 stellte der Beklagte das Foto in seinem persönlichen und vor Inhaltsänderungen durch ein Kennwort geschützten Profil auf der Internetplattform […], die allgemein einsehbar ist und insbesondere von gemeinsamen Freunden und damaligen Klassenkameraden besucht wurde, online. Das Foto verbreitete sich – ohne Zutun des Beklagten – sodann vor allem auch über andere soziale Netzwerke des Internets. Unmittelbar nachdem die Klägerin von einer Freundin auf die Veröffentlichung des Bildes hingewiesen worden war, erstattete sie am 07.10.2013 Anzeige gegen den Beklagten und forderte ihn telefonisch auf, das Foto zu entfernen, was der Beklagte auch umgehend machte […]
Die Klägerin hat behauptet, keine Kenntnis von der Anfertigung des Fotos gehabt zu haben. Sie habe in Folge der Veröffentlichung des Fotos im Internet eine posttraumatische Belastungsstörung erlitten, die fortdauere. Für sie sei jeder Schulbesuch nach der Veröffentlichung des Bildes ein Spießrutenlauf gewesen. Sie habe unter extremer Angst gelitten, auf das Foto angesprochen zu werden, weshalb auch ihre schulischen Leistungen stark abgefallen seien. Sie habe sich aus dem sozialen Leben sowie von ihren Freunden zurückgezogen und suizidale Phantasien gehabt. Sie sei zur Alltagsbewältigung auf die Einnahme von Antidepressiva angewiesen gewesen […]
Das Landgericht hat den Beklagten mit seinem am 22.07.2015 verkündeten Urteil verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 20.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.11.2014 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.172,51 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 837,76 € seit dem 06.11.2014 sowie auf weitere 334,75 € seit dem 03.03.2015 zu zahlen. Ferner hat es festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche zukünftigen materiellen und nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden zu ersetzen, die der Klägerin aufgrund der unbefugten Veröffentlichung der Bilddatei, welche die Klägerin und den Beklagten beim Oralverkehr zeigt, im Internet entstanden sind und zukünftig entstehen werden, soweit diese nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen oder übergegangen sind […]
Die schwerwiegende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin könne nur durch eine Geldentschädigung befriedigend ausgeglichen werden. Bei der Bemessung der Höhe sei zu berücksichtigen, dass dem Beklagten bewusst gewesen sei, einen irreversiblen Zustand zu schaffen. Ferner habe er die Möglichkeit, die Klägerin bloß zu stellen, ausgenutzt und einen massiven Vertrauensbruch begangen.
Die Klägerin habe zudem auch einen Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes, weil sie in ihrer Gesundheit beeinträchtigt worden sei. Insoweit habe die Sachverständige überzeugend ausgeführt, dass die Klägerin unter einer psychischen Erkrankung leide, die kausal durch die Bildveröffentlichung verursacht worden sei.
Insbesondere wegen der weitreichenden Folgen für die Klägerin und ihr weiteres Leben seien ein Schmerzensgeld bzw. eine Geldentschädigung in Höhe von insgesamt 20.000,00 € angemessen. Da die beiden Anspruchsgrundlagen dieselben Zwecke verfolgten, seien keine Einzelbeträge für die jeweiligen Tatbestände zu beziffern gewesen. Ein besonderes Gewicht sei bei der Bemessung darauf zu legen gewesen, dass die Klägerin in jungen Jahren in ihrer Entwicklung empfindlich beeinträchtigt worden sei und die Folgen noch weitere Zeit werde erdulden müssen […]
Die Berufung des Beklagten ist allerdings in Bezug auf die Höhe des Schmerzensgeldbetrages erfolgreich. Der Klägerin steht nämlich zum Ausgleich ihres immateriellen Schadens nur ein Betrag in Höhe von 7.000,00 € zu; der vom Landgericht ausgeurteilte Betrag in Höhe von 20.000,00 € ist deutlich übersetzt […]
Das Schmerzensgeld muss unter Berücksichtigung aller für die Bemessung maßgeblichen Umstände und unter Beachtung seiner Doppelfunktion festgesetzt werden. Es soll dem Geschädigten einerseits einen angemessenen Ausgleich für die immateriellen Schäden bieten. Andererseits soll dem Gedanken Rechnung getragen werden, dass der Schädiger dem Geschädigten Genugtuung dafür schuldet, was er ihm angetan hat. Dabei steht der Entschädigungs- und Ausgleichsgedanke im Vordergrund. Bei seiner Bemessung sind die Schwere der Verletzungen, das durch diese bedingte Leiden, dessen Dauer, das Ausmaß der Wahrnehmung der Beeinträchtigung durch den Verletzten und der Grad des Verschuldens des Schädigers in den Blick zu nehmen […]
Im Hinblick auf die Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes ist zugunsten der Klägerin zu würdigen, dass die Bildveröffentlichung damals zu einer massiven Bloßstellung gegenüber einer unüberschaubaren Anzahl von Personen, wozu vor allem solche aus ihrem nahen Umfeld gehörten, geführt hat und insoweit auch die besondere Verletzlichkeit der Klägerin aufgrund ihres jungen Alters zu berücksichtigen ist. Auch wenn der Beklagte das intime Foto schon nach kurzer Zeit von seinem Internetprofil gelöscht hat, hatten es (vorhersehbar) dritte Personen bereits entdeckt und heruntergeladen, so dass dessen Verbreitung unkontrollierbar geworden war.
Anspruchsmindernd ist demgegenüber zu würdigen, dass der Beklagte das Bild offensichtlich im Zuge einer unreflektierten Spontanhandlung ins Internet hochgeladen hat, was daraus folgt, dass er es umgehend nach Aufforderung durch die Klägerin wieder gelöscht hat. Er hat die weitreichenden Folgen seines Handelns wohl auch im Hinblick auf sein eher geringes Alter offensichtlich nicht hinreichend überdacht und scheint sie – wie er im Senatstermin glaubhaft ausgeführt und durch seinen Brief an die Eltern der Klägerin belegt hat – zu bereuen. Auch hält der Senat im Hinblick auf die im Termin vorgenommene persönliche Anhörung des Beklagten dessen starke Alkoholisierung zum Tatzeitpunkt, die ein unreflektiertes Handeln nachhaltig begünstigt hat, für überwiegend wahrscheinlich, weil sie das unüberlegte Hochladen des Bildes und dessen umgehende Löschung nach dem Hinweis durch die Klägerin überzeugend erklärt.
Im Unterschied zu der von der Klägerin in Bezug genommenen Entscheidung des Landgerichts Kiel (vgl. Urteil vom 27. April 2006 – 4 O 251/05 –, juris), welches für eine intime Bildveröffentlichung ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000,00 € für angemessen erachtet hat, hat der Beklagte die Klägerin im Zuge der Veröffentlichung im Internet nicht namentlich oder sonst für unbekannte dritte Personen identifizierbar bezeichnet und sie auch nicht über den Bildinhalt hinaus diffamiert. Da das Foto damals überwiegend unter den Mitschülern sowie Freunden und Bekannten der Parteien, zu denen die Klägerin heute infolge ihres Schulabschlusses, ihres Wohnortwechsels und der Aufnahme ihres Studiums nur noch geringeren Kontakt hat, kursierte, ist jedenfalls zukünftig eine weitere massive Konfrontation mit dem intimen Foto nicht mehr zu erwarten. Dies wird auch durch die persönliche Einlassung der Klägerin im Senatstermin, wonach derzeit in Bezug auf das Bild Ruhe eingekehrt sei, bestätigt.
Schließlich ist anspruchsmindernd zu berücksichtigen, dass – entsprechend dem Beklagtenvortrag – das kompromittierende Foto ursprünglich im Einvernehmen der Parteien gefertigt worden ist, so dass die Klägerin selbst eine Ursache für dessen spätere Verbreitung gesetzt hat. Hierfür spricht nach der persönlichen Anhörung der Klägerin im Senatstermin jedenfalls eine überwiegende Wahrscheinlichkeit. Soweit sie sich dahingehend eingelassen hat, sie habe zwar während des Oralverkehrs das Hervorholen des Handys durch den Beklagten bemerkt, aber auf dessen Zusicherung, dass kein Foto gemacht worden sei, vertraut, ist das lebensfremd. Vor allem aber spricht für den Beklagtenvortrag das Indiz, dass in der von der Klägerin persönlich unterzeichneten Strafanzeige gegen den Beklagten (vgl. Bl. 86 d.A.) ausdrücklich angegeben worden ist, das betreffende Foto sei einvernehmlich entstanden. Die Klägerin hat dieses Indiz in ihrer persönlichen Anhörung trotz eines entsprechenden Vorhalts nicht entkräften können, und eine Erklärung für die Unrichtigkeit dieser Angabe ist auch sonst nicht ersichtlich.“