Das AG Charlottenburg hat mit Urteil vom 13.04.2017, 218 C 363/16, entschieden, dass der Anschlussinhaber sich gegen eine Schadensersatzklage nicht erfolgreich verteidigen kann, indem er lediglich pauschal behauptet, dass eine dritte Person Zugriff auf sein Internet gehabt haben und der Router Sicherheitslücken aufgewiesen haben könnte.
Aus den Entscheidungsgründen:
„Die Klägerin trägt nach den allgemeinen Grundsätzen als Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs auf Schadensersatz und Erstattung von Abmahnkosten erfüllt sind: Danach ist es grundsätzlich ihre Sache, darzulegen und nachzuweisen, dass die Beklagte für die von ihr behauptete Urheberrechtsverletzung als Täter verantwortlich ist (BGH, Urteil vom 15. November 2012 — l ZR 74/12, GRUR 2013.511 Rn. 32 = WRP 2013, 799 – Morpheus; Urteil vom 8. Januar 2014 – I ZR 169/12, BGHZ 200, 76 Rn. 14 – BearShare). Allerdings spricht eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung keine anderen Personen diesen Internetanschluss benutzen konnten. Eine die tatsächliche Vermutung ausschließende Nutzungsmöglichkeit Dritter ist anzunehmen, wenn der lnternetanschluss zum Verletzungszeitpunkt nicht hinreichend gesichert war oder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde. In diesen Fällen trifft den Inhaber des Internetanschlusses jedoch eine sekundäre Darlegungslast. Diese führt zwar weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO) hinausgehenden Verpflichtung des Anschlussinhabers‚ dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen. Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast vielmehr dadurch, dass er dazu vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen verpflichtet. Entspricht der
Beklagte seiner sekundären Darlegungslast, ist es wieder Sache der Klägerseite als Anspruchsteller, die für eine Haftung des Beklagten als Täter einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen (BGHZ 200, 76 Rn. 15 ff. – BearShare mwN; BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 — I ZR 75/14 —‚ Rn. 37, juris).
Diese Vermutung hat der Beklagte nicht erschüttert. Er selbst hatte grundsätzlich durchaus Zugriff auf seinen Computer und hat ihn auch nach seinen Angaben im Tatzeitraum genutzt.
Der Beklagte ist seiner sekundären Darlegungslast (vgl. BGHZ 185, 330 mm. 12 – Sommer unseres Lebens) nicht nachgekommen. Dass weitere Nutzer im Tatzeitraum in Betracht kämen, hat er nicht konkret vorgetragen. Damit greift die Vermutung, er selbst sei es gewesen. Den Prozessgegner der primär darlegungsbelasteten Partei trifft in der Regel eine sekundäre Darlegungslast, wenn die primär darlegungsbelastete Partei keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachverhaltsaufklärung hat, während dem Prozessgegner nähere Angaben dazu ohne weiteres möglich und zumutbar sind (vgl. BGH GRUR 2012, 602 Rn. 23 – Vorschaubilder, mwN). Diese Voraussetzung ist im
Verhältnis zwischen der primär darlegungsbelasteten Klägerin und dem Beklagten als Anschlussinhaber im Blick auf die Nutzung des Internetanschlusses erfüllt.
Die sekundäre Darlegungslast führt weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast hinausgehenden Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu
verschaffen. Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast dadurch, dass er vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht
kommen (BGHZ 200, 76 – BéarShare -, zitiert nach juris, dort Rdnr. 18). In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet (BGH aaO.). Wenn aber die Beklagtenseite nicht darlegt, dass andere Personen im Tatzeitraum
selbständig Zugang zum lnternetzugang hatten und deshalb als Täter der geltend gemachten Rechtsverletzung in Betracht kommen, dann greift wieder die tatsächliche Vermutung der Täterschaft (BGH Urteil vom 11.06.2015 AZ I ZR 75/14 – Tauschbörse III – zitiert nach juris, dort
Rdnr. 42).
Dass der Beklagte solche Nachforschungen angestellt hätte – beispielsweise durch Überprüfung seines Computers auf entsprechende Software, durch Befragen der Lebensgefährtin oder Überprüfung des Routers, vor allem des RouterprotokoIls, hat er nicht vorgetragen.
Zur Nutzung seitens der Lebensgefährtin trägt er trotz Hinweises durch das Gericht weder deren Namen vor, nach macht er irgendwelche Angaben zu deren üblicher Nutzung seines Internetzugangs oder gar im Tatzeitraum. Auch zur Überprüfung eines eigenen Computers teilt er nichts mit. Hinsichtlich des Routers reicht es auch nicht aus, das Modem als Beweismittel zur Akte zu reichen. Ein Beweisangebot ersetzt nicht substantiierten Sachvortrag. Die Weiterleitung des Modems an einen Sachverständigen zur Überprüfung würde eine im Zivilprozess unzulässige Ausforschung darstellen. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass der Beklagte selbst zum Auslesen des Routerprotokolls vermutlich nicht in der Lage ist. Aber dann müsste er sich eben entsprechend fachkundiger Personen bedienen, um hinreichend vortragen zu können. Auch die Angaben des Beklagten zu Sicherheitslücken seines Routers stehen seiner Haftung als Täter nicht entgegen. Denn der Beklagte hat gerade nicht dargetan, dass sein Router zur Tatzeit so unsicher gewesen wäre, dass die Nutzung durch einen unbekannt gebliebenen Dritten ernsthaft in Betracht käme. Der entsprechende Sachvortrag des Beklagten ist nicht hinreichend substantiiert. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass es im Laufe der Jahre durchaus Sicherheitslücken bei Routern gibt, über die dann in den Medien berichtet wird und die von den Diensteanbietern durch entsprechende Software-Updates beseitigt werden. Ob und was hier im Tatzeitraum von Belang gewesen sein soll, trägt der Beklagte nicht vor.
Durch die Rechtsverletzung ist der Klägerin ein Schaden – berechnet nach der Lizenzanalogie in Höhe von 600,— € entstanden. Die Festlegung der Höhe beruht auf einer Schätzung des Gerichts gemäß § 287 ZPO. Der Rechteinhaber hat zunächst die Wahl, wie er den ihm entstandenen Schaden berechnet wissen möchte. An diese Wahl ist das Gericht gebunden. Die Klägerin hat sich insoweit auf die Berechnung nach der Lizenzanalogie berufen. Demnach ist der Schaden danach zu bemessen, was vernünftige Parteien bei Abschluss eines Lizenzvertrages in Kenntnis der wahren Rechtslage und der Umstände des Einzelfalls als angemessenes Lizenzentgelt vereinbart hätten (Dreier/Schulze UrhG, § 97 Rdnr. 61), ohne dass es darauf ankäme, ob der Rechteinhaber überhaupt zum Abschluss eines solchen Vertrages bereit gewesen wäre. Vorliegend ist insoweit zu berücksichtigen, dass schon wegen der fehlenden Begrenzbarkeit der Weitergabe des Films die Klägerin keinesfalls bereit gewesen wäre, die kostenlose Weitergabe im Internet zu lizenzieren. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass theoretisch jeder Tauschbörsenteilnehmer entdeckt und auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden könnte. Maßgeblich ist weiter, dass der Film mit einigem finanziellen Aufwand, insbesondere unter Einsatz eines weithin bekannten Hauptdarstellers hergestellt worden ist und sich zum Zeitpunkt der Rechtsverletzungen in der eigentlichen Verwertungsphase befand. Berücksichtigt wurde schließlich, dass die Klägerin vorprozessual einen Schadensersatzanspruch von 450,- € geltend gemacht hat.“