Wir leben gerade in Zeiten, in denen es en vogue zu sein scheint auszutesten, wie weit man die Grenzen der Meinungsäußerungsfreiheit ausdehnen darf. Da bescheinigt Jan Böhmermann dem türkischen Präsidenten ein nach Döner riechendes Gelöt und bereits vor etwas längerer Zeit betitelte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann im Rahmen der ARD-Sendung „hart aber fair“ den Sänger Roberto Blanco als „wunderbaren Neger„. Das war natürlich als Kompliment gemeint, in Bayern verpackt man das eben nur anders. Roberto Blanco selbst hat diese rustikale Sympathiebekundung vergleichsweise gelassen entgegen genommen und auf eine Retourkutsche auf gleichem Niveau verzichtet. Anders reagiert hat ein Rechtsanwalt mit halb-afrikanischer Abstammung, der dem Innenminister einen persönlichen Brief der etwas anderen Art schrieb. Der Brief eröffnete mit dem Betreff „Ihre rassistische Gesinnung“ und schloß prägnant mit den Worten: „Hallo, Herr Herrmann. Sie sind ein ganz wunderbares Inzuchtsprodukt. Mit freundlichen Grüßen„. Das Inzuchtsprodukt der bayerische Innenminister reagierte nicht ganz so gelassen wie der wunderbare Neger maximal pigmentierte Schlagerbarde, stellte Strafanzeige und beantragte den Erlass eines Strafbefehls wegen Beleidigung.
Das AG Karlsruhe lehnte den Erlass eines Strafbefehls ab. Es vertrat zunächst die Ansicht, bereits die Äußerung Herrmanns über Herrn Blanco sei eine „abwertende rassistische Bezeichnung“ gewesen. Der Betreff des Briefs „Ihre rassisitsche Gesinnung“ sei daher zutreffend und beinhalte keine Beleidigung. Auch die Bezeichnung als „Inzuchtsprodukt“ wertete das Gericht nicht als Beleidigung. Der Rechtsanwalt habe ein „Recht zum Gegenschlag“ gehabt gehabt. Das Recht zum Gegenschlag wurde vom Bundesverfassungsgericht entwickelt und beinhaltet das Recht desjenigen, der durch überspitzte Kritik in seiner Ehre verletzt wird, mit gleichen Waffen zurück zu schlagen.
Die Klippe, die das AG Karlsruhe zu umschiffen hatte lag darin, dass besagter Rechtsanwalt ja eigentlich nicht der „wunderbare Neger“ in den Augen des bayerischen Innenministers war. Dies sah das AG Karlsruhe jedoch nicht als Grund an, dem Anwalt das Recht zum Gegenschlag zu verweigern: Auch wenn er nicht persönlich angegriffen worden sei, habe er sich in erheblichem Maße persönlich betroffen gefühlt und auch betroffen fühlen dürfen. Sein Brief sei daher eine insgesamt angemessene Reaktion gewesen, zumal dieser nicht öffentlich gewesen (was der Innenminister durch seine Anzeige dankenswerterweise geändert hat), sondern an den Innenminister persönlich adressiert gewesen sei.
AG Karlsruhe, Beschluss vom 03.05.2016 – Az. 5 Cs 520 Js 39011/15
Man kann sich darüber streiten, ob hier tatsächlich das Recht zum Gegenschlag zum Zuge kommen darf. Sicher war der Rechtsanwalt nicht das unmittelbare Ziel der Äußerung des bayerischen Rassisten Innenministers. Zu berücksichtigen ist aber, dass dieser seine Äußerung nicht persönlich und direkt gegenüber Herrn Blanco, sondern öffentlich getätigt und in diesem Zusammenhang Herrn Blanco als Teil der „Gattung“ „Neger“ betitelt hat. Insoweit ist das Ergebnis der vom AG Karlsruhe vorgenommenen Abwägung nachzuvollziehen – und fernab juristischen Rumgelabers auch einfach zu begrüßen.